
Freitag
Aufgeregt befinde ich mich auf dem Weg zum Flughafen Zürich. Am Gate schreibe ich noch eine kurze Nachricht an Patrizia, um ihr Bescheid zu geben, dass ich kurz vor dem Abflug bin. Danach schreibe ich noch eine Nachricht an Elios. Bevor ich die grosse Metallbüchse betrete, atme ich noch einmal tief ein und aus.
Am Flughafen Palma angekommen, begrüssen mich eine Meeresbrise, Sonnenschein und ganz viele Palmen. Der Flug war kurz und angenehm. Alles verlief nach Plan und auch am Flughafen Zürich hatte es kaum Menschen - die Ferienzeit ist vorbei. Auch meine Nervosität liess mit der Zeit nach. Im Flieger habe ich in meinem neuen Buch gelesen, welches Patrizia mir empfohlen hat. Normalerweise lese ich keine Liebesromane, aber dieser hat es echt in sich. Vielleicht weil ich die Gefühle der Figuren nachvollziehen kann. Weil ich wegen Elios genauso fühle. Mit meinem Koffer in der Hand verlasse ich den Flughafen. Mein Chef wartet mit seinem Wagen auf mich und wir fahren direkt zu unserem Kundenmeeting. Zusammen schauen wir uns seine nächste Bestellung an, und stellen ihm neue Produkte vor. Neben dem Produktmanagement gehört auch das Social Media zu meiner Arbeitstätigkeit. Ich bearbeite unsere Seite auf Instagram und organisiere Events für unsere Kunden. Wir werden herzlich von unserem mallorquinischen Kunden begrüsst. Meine Spanischkenntnisse sind ein grosser Vorteil in meinem Beruf. Ich bin froh hat mir meine Mutter ihre Sprache beigebracht.
Das Meeting war sehr erfolgreich und ich bin froh über den Austausch. Den restlichen Tag verbringen wir mit unserem Kunden in Palma und essen traditionelle spanische Paella. Wie ich dieses Essen vermisst habe! Ich bin froh, als ich endlich das Hotelzimmer betrete, welches mein Chef mir für diese Nacht gebucht hat. Total erschöpft lege ich mich aufs Bett und lese die Nachricht von Elios:
Ich freue mich dich morgen endlich wieder zu sehen! 😊
Mit einem breiten Grinsen schreibe ich ihm zurück:
Ich freue mich auch! 😊
Samstag
Am nächsten Morgen fahre ich mit dem Taxi direkt zum Flughafen. Aufgeregt warte ich hier auf Elios. Wie soll ich ihn begrüssen? Werden wir uns umarmen? Uns küssen? Mein Herz schlägt mir bis zum Hals. Nervös schaue ich mich um. So aufgeregt war ich schon lange nicht mehr. Unglaublich, was eine Person alles anrichten kann. Mein Blick fällt auf eine junge Mutter mit einem Kind auf dem Arm. Mit der anderen Hand zieht sie ihren Koffer hinter sich her. Das Kind klammert sich fest um ihren Hals und nuckelt an seinem Schnuller. Mich beeindrucken Mütter mit ihren Kindern, und wie stark sie sind. »Louloudi mou«, ertönt eine tiefe Stimme hinter mir. Erschrocken drehe ich mich um und blicke direkt in seine goldbraunen Augen. Mein Herz schlägt so schnell, dass ich Angst habe, es könnte explodieren. Ich werfe mich ihm um den Hals und er nimmt mich fest in seine Arme. Wie sehr ich ihn vermisst habe! Tief atme ich seinen süssen Honigduft ein und auf einmal bin ich nicht auf Mallorca, sondern befinde mich mit ihm auf Zakynthos und wir sehen zu, wie die Sonne aufgeht. Die Erinnerungen an unsere letzte Begegnung holen mich ein, und füllen mein Herz mit Wärme. »Ich habe dich vermisst«, sage ich völlig überwältigt von all den Gefühlen, die in mir hochkommen. Wir lösen uns voneinander und Elios greift nach meiner Hand. Mit der anderen Hand zieht er seinen Koffer hinter sich her. Er schaut sich nervös um, und ich verfolge seinen Blick. Woran muss er gerade denken? »Oh, ich habe da noch was vergessen«, sagt er und zieht mich mit einem Arm wieder an sich. Verwirrt schaue ich ihn an, und bevor ich etwas sagen kann, drückt er mir sanft einen Kuss auf meine Lippen. Wenn ich es nicht recht wüsste, würde ich behaupten, dass mein Herz kurz aufgehört hat zu schlagen. Elios legt seinen Arm um meine Schulter und wir machen uns auf dem Weg zum Mietwagenverleih. Patrizia und ich hatten zusammen einige Sachen geplant, die wir unternehmen wollten. Wir haben unsere Unterkunft auf der östlichen Seite der Insel gebucht, in Cala Millor. Elios und ich nehmen das Auto und die Schlüssel entgegen und fahren mit unserem weissen VW-Golf von Palma nach Cala Millor. Die Strassen sind gut befahrbar und Elios fährt sehr vorsichtig. Schon auf Zakynthos hat er mir bewiesen, dass er ein aufmerksamer Fahrer ist. Ich navigiere uns zum Hotel und nach knappen fünfzig Minuten erreichen wir unsere Unterkunft. Im Hotel begrüssen uns die Angestellten mit einem »hola« und ich begrüsse sie auf Spanisch zurück und lasse uns einchecken. Das Hotelzimmer ist geräumig hell und mit einem grossen Balkon. Ich war anfangs unsicher, ob ich wirklich schon ein Zimmer mit Elios teilen soll, oder ob wir je ein separates Zimmer buchen sollen. Doch die Vertrautheit, die er in mir auslöst, hat dazu beigetragen, dass wir trotzdem das Zimmer miteinander teilen werden. »Du bist keine sechzehn mehr. Und ausserdem würde Elios grosse Probleme mit Dimitrios kriegen, wenn er dir etwas antun würde.« Das waren Patrizias Worte als ich ihr von meiner Unsicherheit erzählt habe. Und sie hatte Recht; ich vertraue Elios.
Nachdem wir uns umgezogen haben, machen wir uns auf den Weg zum Strand in Cala Millor. Wie ich die spanische Luft vermisst habe. Wir suchen uns eines der Restaurants aus, direkt an der Strandpromenade. Als Elios ein kleines Restaurant mit farbigen Schirmen entdeckt, machen wir es uns auf eines der freien Stühle bequem. Wir bestellen unser Essen und nach wenigen Minuten, serviert uns der Kellner unsere Ceaser Salads. Ein Glück, denn ich habe allmählich Hunger bekommen. Elios ist sehr gesprächig und erzählt mir von Dimitrios, wie gut er diesen Sommer ausgeholfen hat und von der neuen Freundin seines Bruders. Es scheint was Ernstes zu sein, und Elios freut sich für ihn. Ich frage mich wie ich wohl wäre, wenn ich Geschwister hätte. Würde ich mich auch so sehr mit ihnen freuen und würde ich ihnen auch alles erzählen? Vermutlich ja. Patrizia und ich erzählen uns auch alles, und wenn Patrizia glücklich oder traurig ist, bin ich es auch, und umgekehrt genauso. Ich habe mir immer ein Geschwisterchen gewünscht, doch meine Eltern haben entschieden, nur ein Kind zu haben. Unsere Familie ist sehr klein, wenn ich sie mit der von Patrizia oder von Elios vergleiche. »Hast du eigentlich noch andere Geschwister ausser Lambros?«, frage ich. »Ja, ich habe noch eine jüngere Schwester«, sagt Elios knapp. Die hatte er bisher noch gar nicht erwähnt. »Echt? Wie heisst sie denn?« »Xenia.« Elios wendet seinen Blick ab und schaut zum Meer. Ich folge seinen Blick und lasse diesen wunderschönen Anblick auf mich ruhen. Vielleicht will er nicht über sie reden, denke ich für mich und beschliesse das Thema zu wechseln. Nach dem Essen machen wir es uns auf unseren Liegen bequem und geniessen die Sonne, die unsere Haut berührt. Irgendwann stehen wir beide auf und gehen zum Wasser. Vorsichtig berühre ich mit meiner Fussspitze das Wasser und zucke kurz zusammen. Obwohl es Ende September noch warm ist auf Mallorca, ist das Wasser schon sehr abgekühlt. Noch bevor ich realisiere, was um mich geschieht, packt mich Elios an meiner Taille und zieht mich ins Wasser. Ich tauche nach Luft japsend auf, und im selben Moment kommt auch Elios an die Oberfläche und sieht mich lachend an. »Dafür werde ich mich revanchieren!«, sage ich lachend und Elios zieht mich mit einem Ruck zu sich. Er nimmt mich in seine Arme und so bleiben wir eine Weile im Wasser, ohne ein Wort zu sagen. Ich schaue in seine Augen, die durch den Reflex der Sonne golden leuchten. Vorsichtig streiche ich ihm sein dunkles Haar aus dem Gesicht und presse sanft meine Lippe auf seine. Seine Lippen schmecken wie der Sommer; unvergesslich. Und für einen weiteren Moment bleibt die Zeit stehen.
Am Abend machen wir uns auf den Weg zum Restaurant, welches wir heute Nachmittag entdeckt haben. Wir bestellen uns diverse Tapas zum Essen und ich erkläre Elios, welche meine Lieblingstapas sind und warum. »Datteln im Speckmantel? Echt jetzt?« Elios schaut mich skeptisch an. »Vertrau mir. Es wird dir schmecken!« Er beisst vorsichtig einen Bissen ab und kaut ganz langsam. Gespannt warte ich auf seine Reaktion. »Du hast recht. Das ist echt der Hammer!« Elios verschlingt den Rest seiner Dattel und so lassen wir uns unser Essen schmecken. Wir schlendern die Promenade entlang und Elios hält meine Hand fest in seiner. Ich fühle mich so geborgen, wie schon lange nicht mehr. Auch bei Leon habe ich mich geborgen gefühlt, doch Elios strahlt eine Wärme aus, die ich bei Leon nicht hatte. Ich beobachte ihn von der Seite und stelle mir vor, wie es sein wird neben ihm zu liegen. Irgendwie macht mich der Gedanke nervös. Normalerweise teile ich mein Bett nicht so schnell mit jemanden, ausser ich bin mir zu hundert Prozent sicher. Doch bei Elios ist das eine andere Situation. Wir kennen uns erst seit ein paar Monate, doch es kommt mir so vor, als würden wir uns schon länger kennen. Also würden sich unsere Herzen schon seit einer Ewigkeit berühren. Elios bemerkt meinen Blick und lächelt mich an, und sein Lächeln berührt direkt mein Herz. Ein wohliges Gefühl durchströmt meinen Körper und meine Nervosität verabschiedet sich.
Im Hotel angekommen, schlüpfe ich in mein Pyjama und krieche unter die Decke. Elios liegt schon im Bett und tippt noch etwas in seinem Handy herum. Er hat einen ernsten Blick, den ich selten auf seinem sonst so fröhlichen Gesicht sehe. »Alles okay?«, frage ich vorsichtig. »Ja, alles gut.« Er legt sein Handy auf den Tisch neben sich und schaltet das Licht aus. Reglos bleibe ich auf meinem Rücken liegen. Soll ich mich an ihn anlehnen? Oder soll ich mich einfach zur Seite drehen? Noch bevor ich fertig denken kann, spüre ich seine breiten Arme um meine Taille und wie er behutsam seinen Körper an meinen schmiegt. So gut wie in dieser Nacht habe ich schon lange nicht mehr geschlafen, denn ich habe mich verdammt wohlgefühlt in seinen Armen. Und nichts auf dieser Welt, könnte je etwas daran ändern…
Fortsetzung folgt...
Coole Geschichte!
Freue mich auf das nächste Kapitel 🤗