
Montag
Mein Kopf brummt als ich aufstehe. Ich ziehe die Vorhänge zur Seite, um etwas Sonnenlicht ins Zimmer zu lassen. Als ich mich umsehe, fehlt von Elios jede Spur. Er ist gegangen, ohne sich zu verabschieden. Ein Riss macht sich in meiner Brust bemerkbar und ich lege mich erneut ins Bett hin. Tränenverschmiert lese ich seine Nachricht:
Louloudi mou. Es tut mir leid, dass ich einfach so gehen musste. Ich verspreche dir, es hat nichts mit uns zu tun. Ich werde dir alles erklären, bitte gib mir Zeit.
Ich weiss nicht, was ich fühle. Ich bin enttäuscht von seinem Verhalten. Ich möchte ihm glauben, will ihm sagen, dass er sich die Zeit nehmen soll und mir später alles erklären kann. Doch ein Teil von mir zweifelt daran, dass das die Wahrheit ist. Was ist, wenn es doch etwas mit uns zu tun hat? Was wenn es noch jemand anderes in seinem Leben gibt? Oder warum hat er die Person am Telefon Louloudi mou genannt? Warum kann er nicht mit mir darüber reden? Verzweifelt rufe ich Patrizia an und erzähle ihr alles. »Und er ist gegangen, ohne ein Wort zu sagen?« Patrizia ist genauso fassungslos wie ich. »Kein einziges Wort. Ich weiss nicht einmal, um welche Uhrzeit sein Flug geht!« »Ach Ayla, das tut mir alles so leid! Ich habe mich so für dich gefreut, dass ihr euch endlich wiederseht.« Patrizias Stimme spendet mir Trost. »Ich komme dich morgen am Flughafen abholen, ja? Versprich mir, dass du den heutigen Tag trotzdem geniesst – lass dir die Weine schmecken!«
Nach fünfzig Minuten Taxifahrt erreiche ich die Hafenstadt Alcudia. Ein schmaler Weg führt mich zur Ranch, wo die Weinverkostung stattfindet. »Buenos dias!«, werde ich freundlich vom Sommelier begrüsst. Ich war noch nie auf einer Ranch, vor allem nicht, um dort Weine zu verkosten. Auf der linken Seite befinden sie die Ställe und auf der rechten Seite befindet sich ein grosses Weideland, wo sich die Pferde nach dem Ausritt entspannen. Ich setzte mich auf einer der freien Stühle und bewundere die grüne Landschaft um mich herum. Den restlichen Tag verbringe ich auf der Ranch und verkoste die Weine und mallorquinischer Käse. Ich unterhalte mich mit einer Gruppe junger Frauen aus England und wir lassen uns die Weine schmecken. Ich weiss nicht, wie viele Gläser wir schon getrunken haben, doch die warme Sonne und spanische Weine sind keine gute Kombination. Den ganzen Tag kämpfe ich dagegen an, nicht an Elios zu denken. Schliesslich lässt die Vernunft nach und ich schreibe ihm eine Nachricht, indem ich frage, ob er schon angekommen ist, oder zumindest schon in Athen gelandet ist. Ich lege mein Handy zur Seite und widme mich meinem Glas Prensal blanc. Wie gerne wäre ich jetzt mit Elios hier. Ich hätte ihm alles über die Weine erzählt, und welcher davon mein Lieblingswein ist. Ich hätte gerne gewusst, ob sie ihm schmecken, und hätte ihm gerne dabei zugesehen, wie er hier die Zeit geniesst. Ich hätte mich an seine breiten Schultern gelehnt und hätte mit seinen Fingern gespielt, während er mir sanft einen Kuss auf die Stirn gibt. Ich spüre, wie mir die Tränen in die Augen treten.
Nach der Weindegustation mache ich mich auf dem Weg zurück zum Hotel. Dort angekommen packe ich meinen Koffer und lege mich schliesslich erschöpft hin. Von Elios habe ich bis jetzt noch keine Antwort auf meine Nachricht gekriegt. Ich versuche ihn anzurufen, doch als die Mailbox anspringt, lege ich auf. Ich kann es nicht fassen, warum verhält er sich so? Voller Sehnsucht scrolle ich durch die Bilder auf meinem Handy, die wir zusammen gemacht haben. Zwei Tage. Zwei Tage haben wir uns gesehen, nachdem wir uns über mehrere Wochen zuletzt gesehen haben. Zwei Tage und eigentlich hätten es mehr sein sollen. Ich atme tief ein und aus, um den Knoten in meiner Brust zu lösen. Werden wir uns wiedersehen? Wird er sich wieder bei mir melden? Ich schaue zur leeren Bettseite neben mir und stelle mir vor, wie Elios neben mir liegt. Irgendwann schlafe ich ein und träume davon, wie er mich in seine Arme hält. Doch es ist nur ein Traum.
Dienstag
Erleichtert, dass heute endlich mein Flug geht, mache ich mich auf dem Weg zum Flughafen und gebe mein Gepäck ab. Ich habe noch immer nichts von Elios gehört und langsam bin ich nicht nur traurig darüber, sondern mache mir auch Sorgen. Ist ihm vielleicht etwas zugestossen? Im Flieger schreibe ich Patrizia kurz eine Nachricht, um ihr Bescheid zu geben, dass wir gleich losfliegen. Ich kaue an meiner Unterlippe und hole zur Ablenkung das Buch aus meiner Tasche.
Am Zürcher Boden angekommen, mache ich mich auf dem Weg zur Gepäckausgabe. Der Flug war auch dieses Mal angenehm und das Buch konnte mich von meiner Nervosität ablenken. An Elios musste ich jedoch die ganze Zeit denken. Patrizia wartet mit einem breiten Lächeln auf mich, und ich stürze mich in ihre Arme. Wir machen uns auf dem Weg nach Hause. Im Auto entferne ich den Flugmodus aus meinem Handy. Ich hoffe auf eine Nachricht von Elios, und tatsächlich, er hat mir geschrieben. Mit stockendem Atem lese ich seine Nachricht:
Ayla. Es tut mir leid, dass ich einfach so verschwinden musste, und mich die letzten zwei Tage nicht gemeldet habe. Ich habe eine Nachricht erhalten, mit der ich nicht gerechnet habe. Mein Verhalten dir gegenüber war nicht korrekt, bitte verzeih mir. Ich werde alles tun, damit wir uns wiedersehen werden. Ich werde dir erklären, warum ich so gehandelt habe, und warum ich mich so verhalten habe. Ich hoffe du kannst mir verzeihen. Und ich hoffe du vergisst nicht, wie wichtig du für mich bist, Louloudi mou.
Ich lese seine Nachricht noch einmal durch. Und dann noch einmal. Und noch einmal. Ich frage mich, was er für eine Nachricht erhalten hat. Was hat dazu geführt, dass er sich so verhalten hat? Egal, was es ist, er wird es mir erklären. Und irgendwann werde ich es verstehen, und ihm verzeihen. Ich weiss nur nicht, wann.
Fortsetzung folgt…
Fazit
Projekt Herzschlag war für mich eine weitere Herzensangelegenheit. Nicht nur der Schreibprozess und die Umsetzung haben mir grosse Freude bereitet, sondern auch das Teilen meiner Kurzgeschichte. Es war schön zu sehen, wie die Geschichte von euch gelesen wurde!
Ich habe mir schon viele Gedanken über eine Fortsetzung gemacht, seid gespannt!
Ein grosses Dankeschön an allen, die sich die Zeit genommen haben, meine Geschichte zu lesen und mich somit unterstützt haben!
Written by Celine
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